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Warum will die EU im Roten Meer eingreifen?

Jan 22, 2024 | Studien & Berichte | 0 comments

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande 

DW – Was können Kriegsschiffe der EU im Roten Meer ausrichten?

Ella Joyner

DW – Die EU möchte im Roten Meer eingreifen, um Angriffe auf Handelsschiffe künftig zu verhindern. Doch es steht viel auf dem Spiel. Militärische Aktionen allein werden das Problem nicht lösen, meinen Experten.Während die USA, unterstützt vom Vereinigten Königreich, mit Raketen auf die Geschosse jemenitischer Rebellen antworten, arbeitet die Europäische Union an ihrer eigenen Reaktion auf diese neue Krise – die zwar mit dem Konflikt im Gazastreifen im Zusammenhang steht, aber weit über die Grenzen Israels und der palästinensischen Gebiete hinausgeht.

Die EU ist dabei, eine neue Marinemission zusammenzustellen, um Schiffe – und europäische Handelsinteressen – in dem strategisch so wichtigen Roten Meer zu schützen. Doch das Risiko ist groß, dass der Versuch, die Huthi-Rebellenmiliz abzuschrecken, zu einer gefährlichen Eskalation führen könnte. Die EU sollte daher mit Bedacht vorgehen, mahnen Experten.

Warum will die EU im Roten Meer eingreifen?

Seit mehreren Wochen greifen die Huthis, unter deren Kontrolle sich weite Teile des nördlichen und westlichen Jemen befinden, Handelsschiffe im Roten Meer an. Nur wenige Schifffahrtsrouten weltweit sind so stark frequentiert wie dieser Engpass, der über den Suezkanal das Arabische Meer mit dem Mittelmeer verbindet.

Die mit dem Iran verbündete Terrorgruppe begann mit ihren Angriffen nach dem Start der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen, mit der Israel auf die Terrorangriffe der militant-islamistischen Hamas am 7. Oktober im Süden Israels reagierte. Ihre Angriffe seien ein Zeichen der Solidarität mit den von Israel bombardierten Palästinensern, erklärten die Huthis, und richteten sich gegen Schiffe mit direkten oder indirekten Verbindungen zu Israel.Die EU verurteilt ebenso wie andere Weltmächte den Angriff auf Handelsschiffe als illegal. Etwa 40 Prozent des europäischen Handels mit Asien und dem Nahen Osten durchquert diese Gewässer. Nun müssen viele Schiffe den Weg über das Kap der Guten Hoffnung nehmen, mit all den Verzögerungen und zusätzlichen Kosten, die das bedeutet.

Die geplante EU-Mission, über die eine abschließende Einigung vermutlich erst in einigen Wochen erzielt werden wird, wäre unabhängig von der Operation Prosperity Guardian der USA. Durchgeführt werden soll die Mission von einer aus etwa 20 Ländern bestehenden Koalition. Die von den USA geführte Mission startete im Dezember und spaltete die Gemüter innerhalb der EU. Während sich die NiederlandeGriechenland und Dänemark der Mission anschlossen, lehnten FrankreichItalien und Spanien eine Beteiligung ab.

Was plant die EU?

In den vergangenen Wochen wurden verschiedene mögliche Reaktionen der EU auf die Vorgänge diskutiert. Grundsätzlich geht es dabei um die Entsendung von Kriegsschiffen, die in der Region patrouillieren sollen. Mehrere Medien berichteten unter Berufung auf ein durchgesickertes internes EU-Dokument, der diplomatische Dienst der EU, der Europäische Auswärtige Dienst, habe vorgeschlagen, mindestens drei Schiffe zu entsenden.Eine diplomatische Quelle, die anonym bleiben will, erzählte der DW in Gesprächen, favorisierte Option sei die Erweiterung von Agenor, einer bestehenden Operation unter Führung Frankreichs, die die nahe gelegene Straße von Hormus überwacht.

Acht EU-Länder unterstützen bereits diese Operation, die Teil einer umfassenderen Mission mit dem Namen EMASoH (European Maritime Awarness in the Strait of Hormuz) bildet. Diese europäische Meeresüberwachungsmission zur Sicherung der Straße von Hormus soll „Spannungen abbauen und zur Sicherung des Seeverkehrs beitragen“, wie es auf ihrer Website heißt.Am Mittwoch schien der italienische Außenminister Antonio Tajani den Plan zu bestätigen. Am einfachsten sei es, die Operation Agenor auf das Rote Meer auszuweiten. „Ich bin überzeugt, dass selbst der Europäische Auswärtige Dienst dieser Hypothese wohlwollend gegenüber steht“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Tajani.

Am selben Tag erklärte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren gegenüber nationalen Medien, dass ihr Land der EU-Mission möglicherweise eine Fregatte zur Verfügung stellen würde. „Wir prüfen das noch, werden aber auch mit dem Unterhaus des Parlaments darüber sprechen“, sagte sie im Nachrichtensender BNR.Bis zum 19. Februar soll die Mission vorbereitet und kurz darauf einsatzbereit sein, berichtet Reuters unter Berufung auf ungenannte diplomatische Quellen. Der nächste Schritt ist nun das Treffen der EU-Außenminister an diesem Montag.

Warum ist eine EU-Intervention so umstritten?

Die EU hat lange auf eine Reaktion warten lassen. Mehrere Staaten, insbesondere Spanien, sperrten sich gegen Angebote der USA, gemeinsam einzugreifen. Bei vielen Mitgliedsstaaten ist die Furcht groß, dass die Situation in einer ohnehin extrem instabilen Region gefährlich eskalieren könnte. Auf die Angriffe der USA und Großbritanniens gegen Huthi-Stellungen am vergangenen Freitag reagierte die EU sehr zurückhaltend.Laut den USA waren lediglich die Niederlande, die von der Schifffahrt abhängen, bereit, praktische Unterstützung zu leisten. Deutschland und Dänemark boten ihre Unterstützung angeblich in einer schriftlichen Erklärung an. Spanien, das von einer Linkskoalition regiert wird, machte deutlich, dass es nicht an einer EU-Mission im Roten Meer teilnehmen wird. Militärische Missionen der EU müssen zwar einstimmig beschlossen werden, einzelne Mitgliedsstaaten können jedoch auf eine Teilnahme verzichten.

„Jedes Land muss seine Handlungen begründen. Spanien wird sich immer für Frieden und Dialog einsetzen“, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles vergangene Woche laut Nachrichtenagentur AFP vor Journalisten.

Für die EU wird die Situation durch die Angriffe der USA und Großbritanniens und die Vergeltungsschläge der Huthis noch komplizierter, erklärt Nathalie Tocci, Leiterin des italienischen Instituts für internationale Angelegenheiten IAI. Die Entsendung von Schiffen berge nicht nur weiteres Eskalationspotenzial, die Schiffe müssten auch in der Lage sein, auf Angriffe zu reagieren, meint Tocci.

„Es geht um Kriegsschiffe, die bereit sind, zu schießen. Es müssen nicht unbedingt Angriffe auf jemenitischen Boden sein, aber auf jeden Fall Schüsse auf alles, was kommen mag“, führt Tocci aus. Das sei eine ganz andere Sache als die gegenwärtige Überwachungsmission von Agenor.

Was sind die Risiken?

Die Risiken für die EU seien dabei nicht nur praktischer Natur, meint Tocci, sie riskiere auch ihren Ruf. Zum einen bestehe das Risiko, dass ein EU-Schiff angegriffen wird und die Situation eskaliert. Zum anderen laufe die EU Gefahr, dass ihre Mission keine echten Auswirkungen hat und die EU schwach aussehen lässt.

„Betrachten wir es mal so: Seit zehn Jahren wird der Jemen von den Saudis gnadenlos bombardiert“, sagt Tocci mit Blick auf die von Saudi Arabien angeführte Koalition, die seit 2015 die Huthis bekämpft und die international anerkannte Regierung des Jemens in dem seit Jahren tobenden Bürgerkrieg unterstützt. „Hat das zu einer Schwächung der militärischen Kapazitäten der Huthis geführt? Nein, hat es nicht“, sagt Tocci und fragt weiter: „Warum glauben wir also, dass eine Marinemission, die doch wohl defensiv und nicht offensiv ausgelegt sein müsste, irgendeine abschreckende Wirkung haben kann?“ Tocci befürchtet, dass die EU aus dem Bedürfnis heraus reagiert, „etwas zu tun“, anstatt sich zu fragen, was sie wirklich erreichen kann.

Camille Lons jedoch ist anderer Meinung. Für die Analystin beim European Council on Foreign Relations (ECFR) ist es unerlässlich, dass die EU eine Antwort findet „auf die Bedrohungen der Sicherheit in der Seefahrt, die wir erleben, denn diese wirken sich unmittelbar auf ihre wirtschaftliche Sicherheit und ihre Wirtschaftsinteressen aus“. Dies gelte insbesondere, weil sich der Block nicht einstimmig auf die Seite der USA gestellt habe. Trotz ihrer wichtigen Handelsinteressen habe die EU seit den Angriffen der Huthis das Heft des Handelns aus der Hand gelegt, betont Lons.

Das ungelöste Problem

Tocci und Lons sind sich einig, dass der Ursprung der Krise im Roten Meer im Gazastreifen zu suchen ist. Beide bedauern, dass die EU auch auf diese Krise keine einheitliche Antwort gefunden hat. Die Glaubwürdigkeit des Block habe darunter auf der Weltbühne, insbesondere aber in den Regionen, in denen die Menschen sehr mit den Palästinensern sympathisieren, gelitten.Es bestehe ein echter Bedarf, die Instabilität im Jemen und die allgemeine Instabilität am gesamten Roten Meer anzugehen, meint Lons mit Blick auf die Zukunft. Dies erfordere eine diplomatische Antwort, die mehr sei, „als die militärische Antwort darauf, was jetzt gerade passiert“.

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande 

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