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Ukraine bietet der Nato ihre Hilfe gegen Putins Drohnen an

Sep. 16, 2025 | Studien & Berichte | 0 Kommentare

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande –ECCI

Jetzt will die Nato die ukrainische „Himmelsfestung“

tonline ـ Die Nato steckt in einem Dilemma: Russlands Drohnenprovokationen könnten zunehmen, doch adäquate Abwehr ist nicht vorhanden. Das Bündnis sucht schnelle Abhilfe in der Ukraine.

Am Wochenende ist es erneut passiert: Nachdem am vergangenen Mittwoch mindestens 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen waren, ließen Nato-Partner am Samstagabend erneut Kampfjets aufsteigen. F-16-Maschinen verfolgten das als russische Geran-Drohne identifizierte Fluggerät im rumänischen Luftraum, entschieden sich jedoch dazu, es nicht abzuschießen, da die Drohne wieder Richtung Ukraine abdrehte. Zwei deutsche Eurofighter halfen während des Einsatzes bei der Luftraumüberwachung.

Die Vorfälle der vergangenen Wochen mit russischen Drohnen im Luftraum der Nato zeigen ein Dilemma des Bündnisses auf: Für die Abwehr russischer Drohnen ist die Nato derzeit nicht gewappnet. Denn langfristig ist es militärökonomisch nicht tragbar, teure Systeme wie F-16-Kampfjets oder Patriot-Flugabwehr gegen vergleichsweise günstige russische Kamikazedrohnen einzusetzen. Eine Patriot-Abfangrakete kostet rund vier Millionen, eine Geran-Drohne hingegen nur etwa 50.000 US-Dollar.

Russland feuert immer mehr Drohnen auf die Ukraine ab

Was für die Nato eine neue Herausforderung darstellt, ist für die Ukraine längst Alltag. Seit dem ersten Kriegsjahr schickt Russland Kamikazedrohnen in die Ukraine – und die Schwärme werden immer größer. Allein bei einer Attacke Anfang September flogen 805 Drohnen iranischer Bauart in den ukrainischen Luftraum. Mindestens 60 trafen ihre Ziele.

Ukraine bietet der Nato ihre Hilfe gegen Putins Drohnen an

Gegen solch massive Attacken geht die Ukraine mit einer Kombination traditioneller sowie innovativer Überwachungs- und Abwehrsysteme vor. Dabei geht es nicht nur um das Abfangen der Kamikazedrohnen, sondern auch um ihre Ortung. Davon will die Nato nun lernen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstrich die Bedeutung von Drohnen bei der Verteidigung und bot der Nato Unterstützung an. Die Ukraine sei bereit, ihre Erfahrungen zu teilen. „Wir sind bereit, alle Partner in dieser Verteidigung zu schulen“, sagte Selenskyj. „Alle sehen, dass die Russen nach Möglichkeiten suchen, den Krieg auf das Gebiet Polens und der baltischen Staaten auszuweiten, die russische Armee testet auch Rumänien.“ Zwar habe die Nato effektive Abwehrwaffen, doch habe die Ukraine „wesentlich kostengünstigere, massivere und systematischere Lösungen“ entwickelt.

Akustisches Überwachungssystem „Sky Fortress“

Bereits im vergangenen Jahr stellte die Ukraine der Nato etwa das System „Sky Fortress“ („Himmelsfestung“) zu Testzwecken zur Verfügung. Es ist eine Eigenentwicklung der ukrainischen Rüstungsindustrie. „Sky Fortress“ ortet Drohnen mittels akustischer Überwachung. Rund 14.000 Sensoren sollen dazu in der Ukraine verteilt sein, die nicht nur Drohnen, sondern auch Marschflugkörper und Raketen anhand ihres Klangs im Anflug erkennen sollen.

„Die Anzeichen verdichten sich“

Ukrainische Flugabwehreinheiten bekommen dann eine Kombination aus akustischen und Radardaten direkt auf ihre Tablets, damit sie die Abwehr der einfliegenden Geschosse vorbereiten können. Dabei handelt es sich zumeist um mobile Trupps auf Pritschenwagen, die aus Maschinengewehren und -kanonen mit Nachtsichtgeräten feuern.

Russische Kamikazedrohnen des Typs Geran fliegen oft niedrig und verhältnismäßig langsam, was es erschwert, sie mit Radargeräten direkt zu orten. Mitte August drang eine Drohne so zunächst unbemerkt in den polnischen Luftraum ein und explodierte 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt auf einem Feld. Ende Juli hatte auch Litauen Probleme bei der Ortung und Identifizierung einer Drohne, die von Belarus aus die litauische Grenze überquerte.

Litauen erklärte Anfang August über den Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte, General Raimundas Vaikšnors, ein ukrainisches akustisches Erkennungssystem erwerben zu wollen. Vaikšnors nannte keinen Namen, erklärte jedoch, dass das System schon seit vergangenem Herbst bekannt sei. Der Prozess zum Erwerb habe sich verzögert, da es sich um ein ukrainisches und kein System aus einem Nato-Staat handele. In diesem Jahr sollen letzte Tests stattfinden, Anfang des kommenden Jahres soll das System dann vollständig in die litauische Luftverteidigung eingebunden werden. Vermutlich handelt es sich um „Sky Fortress“.

Abfangdrohnen: Schneller und günstiger als Russlands Kamikazeflieger

Ein weiteres Mittel, das die Ukraine verstärkt einsetzt, sind Abfangdrohnen. Ende Juli setzte Präsident Selenskyj dafür ein ambitioniertes Ziel: 1.000 solcher Drohnen sollen monatlich produziert werden. Dazu bat er die Unterstützerstaaten um rund sechs Milliarden US-Dollar an Förderung. Vergangene Woche zog die Ukraine dann ein Abkommen mit London an Land, demzufolge Großbritannien monatlich „Tausende“ Abfangdrohnen für Kiews Truppen produzieren will. Um welche Drohne es sich handelt, ist bisher nicht bekannt.

Ein System aus ukrainischer Produktion ist etwa die „Stachel“-Drohne der Firma Wild Hornet („Wilde Hornisse“). Diese soll laut Herstellerangaben Geschwindigkeiten jenseits von 300 Kilometern pro Stunde erreichen. Damit wäre sie deutlich schneller als Geran-Drohnen, die bisher in der Regel rund 200 Kilometer pro Stunde fliegen. Und ihre Kosten von wohl rund 2.500 US-Dollar liegen auch deutlich unter denen russischer Kamikazedrohnen.

Auch in mehreren europäischen Staaten gibt es junge Unternehmen, die Abfangdrohnen entwickelt haben. Zivile Technologien, die auf Risikominimierung setzen müssen, werfen Netze auf gegnerische Drohnen ab. Technisch möglich sind auch Waffen, die angreifende Flugkörper durch Störsender neutralisieren oder in der Luft zerstören. So hat das schwedische Start-up Nordic Air Defence seine Abfangdrohne Krueger100 vorgestellt, die KI-unterstützt und mit Infrarotsucher ausgestattet mehr als 270 Kilometer pro Stunde im Anflug auf das Ziel erreichen soll.

Überlegt wird, ob es in der Nato Geldgeber für eilige Käufe neuer Waffentechnologien gibt. Das Bündnis hat einen Zahlungsmechanismus für Sofortbedarf zur kurzfristigen Beschaffung neuer Technologien („crisis urgent requirement“) ins Leben gerufen.

Ukraine schafft Skyranger an – schneller als die Bundeswehr

In der Bundeswehr wird derweil eine bereits abgeschaffte Teilstreitkraft reaktiviert. Tieffliegende Bedrohungen zu bekämpfen, war das Geschäft der Heeresflugabwehr, die nun wieder aufgebaut werden soll. Für die Bundeswehr wurden dafür zunächst 18 Flugabwehrsysteme vom Typ Skyranger bestellt. Auch die Ukraine soll bald solche Systeme erhalten – sogar noch vor der Bundeswehr.

Das mobile Flugabwehrsystem ist auf Fahrzeugen montiert. Drohnen werden erfasst und können aus einem Bedienraum mit einer 30-Millimeter-Revolverkanone bekämpft werden. Vertraglich vereinbart ist eine Lieferung bis 2028, zudem gibt es in der Bundeswehr ein Erprobungsmodell. Die SPD fordert, die Bestellung jetzt auszuweiten.

Russland ändert Taktiken und entwickelt Kamikazedrohnen weiter

Russland bleibt angesichts ukrainischer Innovationen nicht untätig und entwickelt seine Angriffsdrohnen und auch die Taktiken seiner Attacken weiter. Ukrainische Flugabwehreinheiten berichten etwa, dass die Russen ihre Drohnen nun höher fliegen lassen. Ein Offizier erklärte der Nachrichtenagentur Reuters: „Als wir begannen, (mit diesen Abfangdrohnen) zu arbeiten, flog der Feind in einer Höhe von 800 oder 1.000 Metern.“ Nun seien es bis zu 5.000 Meter. Nicht nur Abfangdrohnen haben damit Probleme, sondern auch Maschinenkanonen und -gewehre.

Darüber hinaus setzt Russland bereits seit Monaten auch verstärkt Drohnen zur Ablenkung ein. Dabei handelt es sich um Fluggeräte des Typs Gerbera. Sie sind in der Luft kaum von Geran-Drohnen zu unterscheiden, tragen jedoch meist keinen oder nur kleine Mengen Sprengstoff mit sich. Manche der Drohnen sind mit Aufklärungsgeräten ausgestattet. Solche Drohnen flogen vergangene Woche auch in den polnischen Luftraum.

Aber auch die bisher recht einfach gebauten Geran-Drohnen werden komplexer. Einerseits verbaut Russland darin mittlerweile Modems und Kameras, die eine präzisere Steuerung ermöglichen sollen. Andererseits sind etwa Geran-3-Drohnen mittlerweile nicht mehr mit Zweitaktmotoren, sondern mit Strahltriebwerken ausgerüstet. Dadurch fliegen sie schneller und haben einen neuen Klang. Dies könnte für ukrainische Abfangdrohnen und akustische Überwachungssysteme zumindest übergangsweise zu einem Problem werden.

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande –ECCI

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