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Ukraine Gipfel ـ Die nächsten Schritte sind komplizierter

Aug. 19, 2025 | Studien & Berichte | 0 Kommentare

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande –ECCI

Plötzlich drohte die Stimmung zu kippen

TONLINE ـ Im Weißen Haus stand das Schicksal Europas und der Ukraine auf dem Spiel. Für den Ernst der Lage wirkte die Stimmung ausgesprochen ausgelassen. Doch hinter der vermeintlichen Lockerheit lauern heftige Spannungen.

Gerade noch hatte Donald Trump den deutschen Bundeskanzler als „starke Führungspersönlichkeit“ gelobt, der großes Ansehen in Deutschland genieße. „Er ist mein Freund“, sagt Donald Trump, und es sei ihm eine Ehre, Friedrich Merz zum Freund zu haben. Sogar über das Aussehen des Kanzlers, der kurzerhand seinen Urlaub am Tegernsee in Bayern beenden musste, äußert sich der amerikanische Präsident vor laufenden Kameras: „Du siehst toll aus mit deiner Bräune. Woher hast du nur diese Bräune? So eine Bräune möchte ich auch haben.“

Es gibt Gelächter an jenem langen Tisch im East Wing des Weißen Hauses, an dem sich nicht nur der Bundeskanzler eingefunden hat. Auf Einladung von Trump sind mit Emmanuel Macron, Keir Starmer, Giorgia Meloni und Alexander Stubb noch vier der wohl wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs anwesend. Gemeinsam mit Wolodymyr Selenskyj, dem Nato-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollen sie das Schlimmste verhindern – den Ausverkauf der Ukraine und Europas.

Es wird gelacht und gescherzt

Die Stimmung wirkt trotz des tobenden Krieges mit seinen Hunderttausenden Toten ausgelassen. Der ukrainische Präsident hat soeben seine harte Bewährungsprobe im Oval Office überstanden. Dieses Mal wird er nicht hinausgeworfen. Der amerikanische Vizepräsident JD Vance beschuldigt ihn nicht der angeblichen Undankbarkeit. Sogar einen Anzug, wenn auch ganz in Schwarz, trägt Selenskyj. Mit dem rechten Reporter, der ihn beim letzten Mal über fehlende Etikette belehrte, scherzt er sogar. „Anders als sie habe ich meinen Anzug gewechselt. Sie tragen immer noch denselben“, sagt er.

Bei diesem Treffen und dem, was jetzt folgen kann, steht alles auf dem Spiel. Der Frieden, der Wohlstand und damit auch das Überleben der europäischen Demokratien. Das wissen die Europäer. Eng stimmen sie sich darum ab, bevor sie an diesem historischen Tag ins Weiße Haus gehen. Zusammen mit Wolodymyr Selenskyj trifft sich ein Großteil von ihnen vorab in der ukrainischen Botschaft in Washington. Nichts soll schiefgehen und nichts dem Zufall überlassen werden.

Dann wagt der Kanzler den Widerspruch

Doch als Trump den deutschen Kanzler dann wenig später wie alle anderen Gäste im East Wing um ein paar Worte bittet, droht die Stimmung für einen Moment zu kippen. Denn Friedrich Merz droht dem Präsidenten, seine große inszenierte Optimismus-Show madig zu machen. „Donald, vielen Dank für die Einladung“, sagt Merz und auch er lobt Trump dafür, dieses Treffen ermöglicht zu haben. Dann aber setzt Merz seine ernste Miene auf, mit der er bisweilen oberlehrerhaft wirken kann.

„Die nächsten Schritte sind komplizierter“, sagt der Kanzler. Der Weg sei zwar jetzt seit dem Alaska-Gipfel mit Putin und Trump frei. Aber der Weg, der jetzt vor den Beteiligten liege, sei einer mit komplizierten Verhandlungen. „Und ehrlich gesagt“, sagt Merz dann, „wünschen wir uns alle einen Waffenstillstand“. Spätestens ab dem nächsten geplanten Treffen mit Putin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne Waffenstillstand stattfinden wird“, so Merz.

Er erntet dafür ein ernstes Nicken von Trump. Es ist dieses Nicken, das der US-Präsident einsetzt, bevor er zurückschießt. Höflich, fast zustimmend, aber die Augenbrauen so konzentriert zusammengezogen, sodass sie ihn doch schon fast grimmig aussehen lassen.

Alles an Trump scheint bereits rufen zu wollen: Was bildet sich Merz da nur ein? Ich habe ihn doch gerade so schön für seine Urlaubsbräune gelobt. So wirkt es zumindest. Der Bundeskanzler weiß, dass er den Präsidenten mit dieser Aussage verärgern kann. Denn Trump wird enorm dafür kritisiert, dass er seine eigene Forderung nach einem Waffenstillstand an Putin wieder einkassiert hat.

Trump holt aus zum Gegenschlag

Und Merz wiederholt seinen Wunsch sogar noch ein drittes Mal: „Darum möchte ich diesen Aspekt hervorheben und wünsche mir einen Waffenstillstand ab dem nächsten Treffen, das ein trilaterales Treffen sein sollte, wo auch immer es stattfindet.“

Dann aber holt Trump aus zum Gegenschlag. Er wahrt dabei seine Höflichkeit, macht aber trotzdem unmissverständlich klar, was er von der Idee des Kanzlers hält. Man solle Selenskyj jetzt erstmal zu Putin gehen lassen und mit ihm sprechen, sagt Trump. „Dann werden wir schon sehen, wie das funktioniert.“ Dann folgt eine von Trumps berüchtigten Selbstbeweihräucherungen. „In den sechs Kriegen, die ich beigelegt habe, gab es vorher keinen Waffenstillstand“, sagt er und referiert über Verhandlungen mit dem Kongo, wo der Krieg schon 30 Jahre andauern würde.

Doch Trump verfällt nicht ins Fauchen und wirkt plötzlich wieder versöhnlicher. „Wenn wir einen Waffenstillstand erreichen, ist das großartig“, sagt er. „Aber wenn nicht, dann, weil uns viele andere Punkte gegeben wurden, viele, viele Punkte, großartige Punkte.“ Als Nächste solle nun bitte Italiens Giorgia Meloni sprechen, die Trump für „eine Inspiration“ hält. Ende des leidigen Waffenstillstandthemas.

Bewusst verteilte Rollenspiele

Doch auch Meloni spricht ein heikles Thema an, das an diesem Tag nicht endgültig geklärt wird: Es sind die notwendigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. „Wie können wir sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholt? Das ist die Voraussetzung für jeden Frieden“, sagt Meloni. Sie freue sich, darüber zu diskutieren, insbesondere über einen Vorschlag, der dem Modell des Nato-Beistands-Artikels 5 entspräche. „Ja, vielen Dank“, sagt Trump und dirigiert weiter an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch ihn schätzt er. „Jetzt noch mehr, als am Anfang. Und das will etwas heißen“, sagt Trump.

Aber auch Macron hält es wie Merz, wenngleich etwas vorsichtiger. Man könne ja wenigstens „einmal um einen Waffenstillstand bitten“, sagt Macron. Denn das Morden zu beenden, sei eine schlichte Notwendigkeit, um zu verhandeln. Auch er fordert Sicherheitsgarantien der Amerikaner, auch wenn klar sei, dass Europa dafür eine eigene große Verantwortung tragen müsse. Aber ohne die USA gehe es eben nicht, so Macron.

Lobeshymnen von allen anderen

Die Europäer wagen viel an diesem Tag. Während Merz, Macron und Meloni bei Trump gewissermaßen die Rolle der sogenannten „Bad Cops“ zu übernehmen scheinen, flöten die anderen Politiker dem US-Präsidenten in die Ohren. Insbesondere der Nato-Generalsekretär Mark Rutte. „Ich möchte Ihnen, Herr Präsident der Vereinigten Staaten, wirklich dafür danken, dass Sie, wie ich bereits sagte, diese Blockade mit Präsident Putin durchbrochen haben, indem Sie den Dialog aufgenommen haben“, sagt der Niederländer. Er glaube jetzt daran, dass man diesen schrecklichen Krieg beenden könne. „Ich bin sehr gespannt. Lassen Sie uns das Beste aus dem heutigen Tag machen“, sagt Rutte.

Die vielen Dankeschöns des ukrainischen Präsidenten lassen sich an diesem Tag kaum noch mitzählen. Fast in jedem dritten Satz sagt Selenskyj, wie sehr er Donald Trump und den Amerikanern danke und wie sehr die Ukraine diese Unterstützung neben jener der Europäer auch weiter benötigen würde. Und auch Ursula von der Leyen setzt sich über die eigene Zerknirschung wegen der hohen Zölle hinweg. Die EU-Kommissionspräsidentin lobt den „großen Deal“, bei dem Europa so viel schlechter wegkommt als die USA. Und Donald Trump wirkt im Großen und Ganzen sehr zufrieden.

Eine gelungene Mission und große Sorgen

Der US-Präsident wirkt schließlich sogar so optimistisch, dass er zum Hörer greift. Er unterbricht das Treffen mit den Europäern und ruft den russischen Präsidenten an, den er duzend in Alaska nur den „Wladimir“ nannte. Gleich danach laufen die ersten Eilmeldungen über die Nachrichtenagenturen: Putin zu bilateralem Treffen mit Selenskyj bereit. Wie belastbar diese Information ist, muss sich zwar erst noch zeigen. Aber es scheint erst einmal weiter vorangehen zu können. Und das hält auch den amerikanischen Präsidenten bei Laune.

Am Abend nach dem Treffen gibt der Bundeskanzler vor deutschen Reportern in einem Hotel in der Nähe des Weißen Hauses offen zu: „Ich will nicht verhehlen, dass ich nicht sicher war, dass es heute so verläuft. Das hätte auch anders laufen können.“ Aber seine Erwartungen seien nicht nur getroffen, sondern sogar übertroffen worden, so Merz.

Die Strategie der Europäer scheint zumindest für dieses Mal aufgegangen zu sein. Doch die Sorge vor dem, was nun kommen kann, bleibt groß. Was, wenn es nun zu kompliziert wird und Donald Trump die gute Laune vergeht? Was, wenn Wladimir Putin wieder nur zum Schein auf die Friedensverhandlungen eingeht, um Zeit zu schinden? Was, wenn es den Amerikanern nicht schnell genug geht und sie den Druck plötzlich noch weiter erhöhen? Was, wenn sie die für die Ukraine überlebenswichtigen Geheimdienstinformationen wieder zurückhalten werden?

Klar ist allen nur eines: Die kommenden Wochen und wahrscheinlich Monate werden ungeheuer intensiv und anstrengend. Und keiner kann sich entziehen. Denn viel zu viel steht auf dem Spiel.

Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande –ECCI

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