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Münchner Sicherheitskonferenz: Gibt es einen Ukraine-Plan?
DW – Wie steht es um den von der US-Administration angekündigten Friedensplan für die Ukraine? Darum ging es bei einer Diskussion auf der Münchner Sicherheitskonferenz – mit spannenden Gästen und überraschenden Erkenntnissen.
„Wir sind in einer besseren Stimmung“, erklärte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha zur Verblüffung der hochkarätigen Runde. Denn es klang wie ein Widerspruch. Vor wenigen Tagen erst hatte US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert, einen NATO-Beitritt der Ukraine abgelehnt und erklärt, die Ukraine müsse wohl Gebiete an Russland abtreten.
Und erst vor einem Tag hatte US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz die gemeinsamen Werte von USA und Europa in Frage gestellt. Was also konnte den ukrainischen Außenminister so zuversichtlich stimmen? Es waren, wie er sogleich erklärte, die Erinnerungen an frühere Münchner Sicherheitskonferenzen, bei denen alle Warnungen der Ukraine ignoriert worden seien. Nun aber sei sein Land nicht mehr alleine. „Wir haben Hoffnung“, bekräftigte Sybiha.
Intimer Rahmen
Von da an nahm die von der DW-Sendung Conflict Zone in Zusammenarbeit mit der Münchner Sicherheitskonferenz (Munich Security Conference, kurz MSC) organisierte Diskussion unter dem Titel „Frieden durch Stärke: Ein Plan für die Ukraine“ („Peace Through Strength: A Plan for Ukraine“) zügig Fahrt auf. Dazu trug auch der besondere, intimere Aufbau bei. In diesem kleineren Saal saßen die fünf Gesprächspartner mit der Moderatorin einander zugewandt in einem geschlossenen Kreis, komplett umrahmt von den Zuschauern – darunter auch viele Prominente.
Teilnehmer der Diskussion waren neben dem ukrainischen Außenminister auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, der britische Außenminister David Lammy, die Verteidigungsministerin von Litauen Dovile Sakaliene und der US-Sondergesandte für die Ukraine, General Keith Kellogg – dem letztlich die mit Abstand meiste Aufmerksamkeit zuteil wurde.
America first? Yes! – America alone? No!
Nach dem Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz am Vortag war es wenig überraschend, dass alle Blicke auf Keith Kellogg lagen. Und auch er wusste mit einem Eingangsstatement zu überraschen: Selbst wenn die Trump-Administration immer gesagt habe „America first“, so habe sie niemals gesagt „America alone“. Es sei immer eine Frage der Begrifflichkeiten, sagte Trumps Sondergesandter. Für den „umfassenden Plan“, der erforderlich sei, müssten die Verbündeten zusammenarbeiten.
Dies eröffnete den Raum für europäische und ukrainische Hoffnungen, die USA würden sich vielleicht noch nicht ganz verabschieden von ihrer Unterstützung der Ukraine. Keith Kellogg machte jedoch klar, dass die Ukraine den Krieg nicht durch immer mehr Blutvergießen gewinne könne. Er verwies auf den Titel des Abends: „Frieden durch Stärke“ – das sei doch im Kern „ein amerikanischer Begriff“. Und Kellogg zeigte sich überzeugt von der Macht der Sanktionen gegen Russland, das nach wie vor den Großteil seiner Einnahmen durch Öl- und Gasexporte erhalte. Putin werde „territorialen Zugeständnissen“ nicht ausweichen können.
Polens Außenminister Radoslaw Sikorski beschrieb denn auch, wie die russische Wirtschaft zu leiden beginne. „Wir müssen Putin überzeugen, dass der Preis, den er bezahlen muss, inakzeptabel ist“. Darum sollte man auf Kurs bleiben und die Ukraine weiter unterstützen.
Unterstützung der Ukraine kostet viel Geld
Großbritanniens Außenminister David Lammy stimmte der Trump-Administration in dem Punkt zu, dass Europa mehr für seinen Schutz tun müsse. Litauens Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene sah es ähnlich. Es sei viel Geld nötig, um möglichst viele Waffenfabriken bauen zu können. Litauen gebe bereits jetzt deutlich mehr als die geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung aus und werde diesen Anteil noch weiter erhöhen.
Genau hier liegt aus Sicht von Polens Außenminister Sikorski eine Ungerechtigkeit vor. Denn es seien immer die Staaten, die umso mehr für ihre Verteidigung ausgäben, je näher näher sie am Kriegsgebiet lägen. Hier sei eine fairere Kostenverteilung sinnvoll – die gegen Ungarn jedoch nicht zu machen sei.
Mit Blick zu Keith Kellogg sagte Sikorski, dass ja vielleicht die USA etwas Druck auf Ungarn ausüben könnten. An dieser Stelle gab es ein leichtes Lachen aus dem Publikum, in dem neben US-Senatoren auch der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der russische Oppositionspolitiker und Journalist Wladimir Kara-Mursa und die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja saßen.
Europa sitzt nicht „mit am Tisch“
Als schließlich die Diskussion für das Publikum geöffnet wurde, richtete sich jede einzelne Frage an den US-Gesandten Keith Kellogg. Den Grund dafür erklärte Moderatorin Sarah Kelly so einfach wie nachvollziehbar: Denn dies war tatsächlich die einzige Möglichkeit, hier in München direkt mit einem Vertreter der US-Regierung zu sprechen. US-Vizepräsident J.D. Vance hatte nur ausgewählte Politiker empfangen und verschwand kurz nach seiner Rede, ohne Fragen zu beantworten.
Hier aber musste Kellogg Fragen beantworten, die es Publikums, aber auch die der Moderatorin. Und da waren eben auch Begrifflichkeiten ein Thema. Als es um die Frage ging, ob die Europäer bei Verhandlungen um einen Friedensplan für die Ukraine mit „am Tisch“ sitzen würden, antwortete der General: „Definieren Sie ‚am Tisch‘. So wie Sie diese Frage formuliert haben, lautet die Antwort nein.“ Die Ukrainer allerdings würden „natürlich“ am Verhandlungstisch sitzen, sagte er.
Klarheit in den Begrifflichkeiten forderte auch der ukrainische Außenminister Sybiha. „Wir reden über einen gerechten, umfassenden und langfristigen Frieden, nicht über die Abwesenheit von Krieg“, sagte er. Das ukrainische Rezept dafür sei „Frieden durch Stärke“. Es liege nun auch an Europa, Stärke zu zeigen.
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