Das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung und Nachrichtdienst, Deutschland und Niederlande
Keine Handhabe gegen Neonazis
Tagesshau – Deutsche Sicherheitsbehörden haben versucht, Neonazis die Ausreise zu einer Kampfsport-Veranstaltung nach Ungarn zu untersagen. Vor Gericht scheiterten die Behörden in mehreren Fällen, ergab eine NDR-Recherche.
Von Julian Feldmann und Reiko Pinkert, NDR
Am heutigen Samstag ist im ungarischen Budapest eine rechtsextreme Kampfsport-Veranstaltung geplant. Mitveranstalter dieser „European Fight Night“ ist das deutsche Kampfsport-Label „Kampf der Nibelungen“ aus der Neonazi-Szene. Auch unter deutschen Neonazis wurde seit Wochen für die Veranstaltung geworben.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht die „European Fight Night“ als „diesjährige Ersatzveranstaltung des in Deutschland seit 2019 verbotenen rechtsextremistischen Kampfsportturniers ‚Kampf der Nibelungen'“, sagt ein Sprecher der Behörde auf NDR-Anfrage. Der Verfassungsschutz „beobachtet deutliche personelle, ideologische und organisatorische Parallelen“ zwischen den beiden Kampfsport-Veranstaltungen.
In Nordrhein-Westfalen versuchten die Sicherheitsbehörden auf Grundlage dieser Einschätzung des Verfassungsschutzes, zahlreichen Neonazis die Reise nach Budapest zu untersagen. Den polizeibekannten Rechtsextremisten wurden unter anderem die Pässe vorübergehend entzogen. Dazu verhängte die Polizei Meldeauflagen. Diese besagen, dass sich die Betroffenen am Wochenende mehrmals bei Polizeidienststellen melden müssen. Allein die Stadt Dortmund untersagte acht Rechtsextremisten die Ausreise, weitere Anordnungen gab es etwa in Bochum und Düsseldorf.
Gerichte heben Verbote auf
Mit den Ausreiseverboten scheiterten die Behörden jedoch in vielen Fällen. Mehr als 20 Rechtsextremisten gingen juristisch gegen die Ausreiseverbote vor. Allein beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatten 15 Betroffene Klage gegen die Auflagen der Polizeibehörden und Städte eingereicht. In allen Fällen gab das Gericht den Rechtsextremisten im Eilverfahren statt – sie dürfen daher nach Ungarn ausreisen. Die Behörden hätten nicht ausreichend darlegen können, dass sie Straftaten der Rechtsextremisten in Ungarn erwarten, erklärte ein Gerichtssprecher auf NDR-Anfrage.
Das Verwaltungsgericht Minden entschied am Freitag in vier Verfahren gegen die Behörden, sodass auch diese Rechtsextremisten nach Ungarn reisen können. Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf gab in einem Fall dem Kläger Recht. Das Verwaltungsgericht Dresden hob Ausreiseverbote in sechs Fällen auf, die durch die Bundespolizei erlassen worden waren. Weitere Klagen sind noch anhängig.
In den Begründungen der Ausreiseverbote heißt es unter anderem, dass die deutschen Neonazis mit ihrem Auftreten im Ausland das Ansehen der Bundesrepublik schädigen würden. Dem nationalsozialistischen Regime waren Hunderttausende Ungarn zum Opfer gefallen. Die Deutschen und ihre Kollaborateure ermordeten insgesamt etwa 565.000 ungarische Juden. Diese Begründung reichte den Verwaltungsrichtern jedoch nicht aus.
Veranstaltung 2019 verboten
Der „Kampf der Nibelungen“ war zuletzt 2018 im sächsischen Ostritz mit mehreren Hundert Besuchern veranstaltet worden. Eine Veranstaltung im Oktober 2019 wurde verboten, weil sie der „rechtsextremen Kampfertüchtigung“ diene und „damit der Vorbereitung eines politischen Kampfes“. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte das Verbot.
Die „European Fight Night“ in Budapest wird laut Bundesamt für Verfassungsschutz „in Kooperation mit ungarischen neonazistischen kampfsportaffinen Strukturen“ organisiert. Aufgrund langjähriger „einschlägiger positiver Veranstaltungserfahrungen in Ungarn“, so der Verfassungsschutz, werde das Turnier in Ungarn durchgeführt. Die Veranstaltung wurde von den dortigen Behörden nicht verboten.
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